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Stolpersteine 2021

Ein Stein. Ein Name. Ein Mensch.

Am Mittwoch, dem 10. November 2021 um 14:30 Uhr werden fünf „Stolpersteine“ in der Schwedter Innenstadt verlegt. 4 Steine wurden um 15 Uhr in der Jüdenstraße verlegt. Dort lebte die Familie Wangenheim.

RUDOLF WANGENHEIM wurde am 19. Dezember 1897 in der Wohnung des Rossschlächters Johannes Streich in Schwedt geboren. Seine Mutter Margarete Mielenz war Schneiderin, evangelisch und kam aus Eberswalde. Am 21. Mai 1898 heiratete sie den Vater des Jungen, den Pferdehändler Theodor Wangenheim, einen Juden. Bereits früh kam Rudolf mit dem Tod in Berührung. Sein Bruder Max, der 1898 geboren wurde, lebte nur 3 Monate. Die Zwillinge Willy und Walter starben nur eine Woche nach ihrer Geburt im Jahr 1900. Vater Theodor musste 1928 eine Zwangsversteigerung über sich ergehen lassen, danach wurde Mutter Margarete Geschäftsführerin der Pferdehandlung. Die gesamte Familie wohnte bis Mitte der 1930er-Jahre in der Jüdenstraße 6. Dieses Haus existiert heute leider nicht mehr.

In der Jüdenstraße 6 hatte Rudolf neben seiner Wohnung ein Büro, denn er war Generalversicherungsvertreter für die Kreise Angermünde und Königsberg/Nm. Er heiratete ILONA WANGENHEIM, die 1902 in Budapest geboren wurde. Sie bekamen zwei Kinder: Edith wurde 1937 geboren und Bernard Sigismund 1938. Damit war das Familienglück für kurze Zeit perfekt. Ilona und Rudolf Wangenheim sowie seine Eltern Theodor und Margarethe Wangenheim unterschrieben neben anderen Mitgliedern 1939 die neue Satzung des Vereins jüdische Kultusgemeinde Schwedt.

Am 14.4.1942 wurden Rudolfs Ehefrau Ilona und seine Kinder EDITH WANGENHEIM und BERHARD SIGISMUND WANGENHEIM von Potsdam aus abtransportiert. Drei Tage später wäre Edith 5 Jahre alt geworden. Bernhard Sigismund wäre am 10. Mai 4 Jahre alt geworden. Der Sondertransport ging über den Bahnhof von Trawniki nach einem Zwischenstopp in das Ghetto Warschau, wo er in den frühen Morgenstunden des 16. April 1942 eintraf. Dieser Transport mit etwa 1000 Personen wurde u.a. aus den Bezirken der Staatspolizeistellen Magdeburg und Potsdam zusammengestellt. In den Unterlagen der Gedenkstätte Yad Vashem wurden Ilona und Edith Wangenheim in die Liste der ermordeten Juden aus Deutschland aufgenommen. Über das Schicksal des kleinen Bernard Sigismund ist nichts bekannt.

Vielleicht wurde er auch ermordet, vielleicht konnte ihn seine Mutter noch in rettende Hände geben. Auch über das Schicksal von Rudolf Wangenheim ist nur bekannt, dass er nach Unterlagen des Genfer Weltjudenkongresses in einer Liste verfolgter Personen verzeichnet ist.

HIER WOHNTE
RUDOLF WANGENHEIM
JG. 1897
SCHICKSAL UNBEKANNT

HIER WOHNTE
EDITH WANGENHEIM
JG. 1937
DEPORTIERT 1942
GHETTO WARSCHAU
ERMORDET

HIER WOHNTE
SIGISMUND WANGENHEIM
JG.1938
DEPORTIERT 1942
GHETTO WARSCHAU
SCHICKSAL UNBEKANNT

HIER WOHNTE
ILONA WANGENHEIM
JG. 1902
DEPORTIERT 1942
GHETTO WARSCHAU
ERMORDET 1942

(Die Worte des Gedenkens spricht Christiane Köhler, Mitglied der Arbeitsgruppe Stolpersteine.)

In der Bahnhofstraße wird ein „Stolperstein“ ausgetauscht, weil durch die Öffnung der Moskauer Archive neue Informationen gewonnen werden konnten. Der „Stolperstein“ erinnert an ALFRED MECHEL MEINHARDT.

Alfred Meinhardt wurde am 21. April 1885 geboren. Seine Eltern waren Bertha Salinger und Gustav Meinhardt. Er betrieb wie sein Vater einen Viehhandel in der Bahnhofstraße. Alle nannten ihn Mechel. Er heiratete Margarethe aus Fiddichow und lebte in Schwedt.

Im März 1943 wurde das Ehepaar nach Auschwitz deportiert. Margarete wurde ermordet und Mechel im Oktober 1944 im Lagerkomplex Auschwitz als Zwangsarbeiter für Jamlitz-Lieberose rekrutiert. Hier praktizierten die Nazis das unmenschliche Prinzip der Vernichtung durch Arbeit. Mechel Meinhardts Häftlingsnummer war 112 627.

Ab November 1943 wurde von der Waffen-SS ein Nebenlager des KZs Sachsenhausen, das „Arbeitslager Lieberose" in Jamlitz eingerichtet. Dieses Arbeitslager wurde im Laufe des Jahres 1944 zum größten jüdischen Häftlingslager im Osten des Altreiches. Es unterstand dem SS-Führungshauptamt. Das Vernichtungszentrum Auschwitz-Birkenau diente diesem Jamlitzer Lager einerseits als Arbeitskräftequelle und andererseits der Vernichtung der nicht mehr arbeitsfähigen Jamlitzer Häftlinge, die monatlich dorthin zurückgebracht wurden.

Das SS-Führungshauptamt ließ mit primitivsten Hilfsmitteln durch diese Häftlinge Kasernen, Straßen und militärische Anlagen für den SS-Truppenübungsplatz „Kurmark" errichten.

Von schätzungsweise 6.000 bis 10.000 jüdischen Häftlingen aus 12 europäischen Ländern, vor allem aus Polen und Ungarn, starben bis zur Auflösung des Lagers weit mehr als die Hälfte oder sie wurden zur Vernichtung nach Auschwitz-Birkenau zurückgebracht.

Bei der Liquidierung des Lagers am 2. Februar 1945 ermordete die SS auf dem Lagergelände etwa 1.200 marschunfähige Häftlinge, weitere 1.500 wurden auf den Evakuierungsmarsch nach Oranienburg getrieben. Den Krieg überlebten etwa 400 der jüdischen Häftlinge.

Als 1971 ein Massengrab mit Gebeinen der Ermordeten bei Staakow entdeckt wurde, entschieden die DDR-Verantwortlichen, nicht am historischen Ort in Jamlitz, sondern einige Kilometer entfernt in der Stadt Lieberose ein Mahnmal und später ein Museum zu errichten. In Jamlitz wurden stattdessen die letzten Zeitzeugnisse wie der Lagerstein und der Torpfeiler beseitigt. Von 1973 bis zum Ende der DDR 1990 erinnerte in Jamlitz nichts an dieses Lager.

Erst mit der Öffnung der Moskauer Archive wurden Dokumente für die Forschung zugänglich, die belegen, dass Mechel Meinhardt im Arbeitslager Lieberose war. Hier wurde er am 21. Januar 1945 ermordet.

HIER WOHNTE
ALFRED MECHEL
MEINHARDT
JG. 1885
DEPORTIERT 1943
THERESIENSTADT
1944 AUSCHWITZ
SACHSENHAUSEN / LIEBEROSE
ERMORDET 21.1.1945

(Die Worte des Gedenkens spricht Anke Grodon, Mitglied der Arbeitsgruppe Stolpersteine.)

 Arbeitsgruppe „Stolpersteine für Schwedt“

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