Eine Frau steht hinter allem (Archiv)
Die Mikwe (auch Mikwa) ist ein Symbol der Neugeburt, so gibt es die erste Mikwe seit der Schöpfungsgeschichte. Mit der Ansammlung von natürlichem, fließendem Wasser wird im Jüdischen symbolisch die rituelle Reinheit hergestellt. Die Mikwe ist ein besonderer Ort, ein Ort, wo die Seele und der Geist gereinigt werden.
Die Schwedter Grundwassermikwe war ein solcher Ort. Um etwas von der Körperlichkeit der Reinigung am historischen Ort zu erleben, lädt das Museum Künstler ein sich mit dem Thema des besonderen Badens auseinander zu setzen. Übrigens eine Idee des Fördervereinsmitglieds Liane Morgner. Sie kennt die Uckermärker Künstler und zeigt ihnen das Kleinod. Inspiriert durch diesen mit Geschichte aufgeladenen Ort und die Besonderheit des rituellen Badens eine Herausforderung.
2024 stellt Uwe Kahl aus Bagemühl sich dieser Aufgabe. Kahl wurde 1958 in Dresden geboren. Er widmet sich seit 1986 der Bildhauerei und schafft Skulpturen. 1989 dann der Umzug nach Berlin, wo er seit 2000 ein eigenes Weingeschäft mit wechselnden Ausstellungen von Malerei und Skulptur betreibt. Mit seinem Atelierumzug nach Bagemühl/Uckermark 2009/2010 folgte er vielen Berliner Künstlern, die sich in die weite Landschaft der Uckermark verliebt haben. Seit 1994 hat Uwe Kahl an zahlreichen Ausstellungen und Kunstprojekten im In- und Ausland teilgenommen. 2018 erhielt er den Uckermärkischen Kunstpreis.
In der Schwedter Ausstellung sind eine großformatige Arbeit in Holz und kleinere Figuren in Bronze zu sehen. Im Zentrum steht der menschliche Körper – Bewegung und Dynamik, Emotionen – filigran bis kraftvoll, sinnlich.
Unter ihnen die „La femosa“, die Schöne. Wenn man in der jüdischen Kulturgeschichte dem Mythos der schönen Jüdin folgt, dann erfährt man etwas über die biblische Esther, die mythologische Retterin des Volkes und eine Heldin. In ihrer Gestalt verbinden sich die Schönheit mit Klugheit und Unverwundbarkeit. Andere schöne jüdische Frauen waren Judith, Salome, Susanna im Bade. Immer erscheint die Frau als „erfolgreiche Verführerin“: „Cherchez la femme, oder eine Frau steckt hinter allem.“
Und heute? „Ganz schön jüdisch“ ist ein jüdisches Design aus Berlin. Oder Elvira Grözinger, eine israelische Schriftstellerin wählt ihre Protagonistinnen aus als „Frauen, die wie sie selbst mitten im Leben stehen“. Diese „Heldinnen“ sind selten schön, eigentlich „unschön, aber sympathisch“. Ist das das Ende des Mythos der schönen jüdischen Frau?
Oder „La sorcière“, die Zauberin oder die Hexe. In der Tora ist Magie verboten, und es gibt verschiedene Bezeichnungen für Personen, die Magie praktizieren: Zeichendeuter, Magier, Wahrsager, Zauberer, Totenbeschwörer (5. Buch Mose 18,10). Der Unterschied zwischen ihnen besteht in ihren Ritualen und der Art von Magie, die sie ausüben.
Der Talmud erzählt viele Geschichten über Frauen, die Hexerei anwandten. Oft ist es Schadenszauber. Die Ambivalenz zeigte sich im Legitimationsgestus: Rabbiner waren auch Magie-Experten, Frauen nicht. Der entscheidende Unterschied zwischen Rabbinern und Frauen schien darin zu bestehen, dass Rabbiner sich selbst als legitime Anführer betrachteten. Sie hatten damit einen Anspruch auf ihr Wissen, sodass ihre Zaubereien zum Nutzen der Gesellschaft angewandt wurden.
Kabbala steht übrigens für Überlieferung, Tradition eben, aber nur für Männer.
Frauen hingegen fehlte die Rechtmäßigkeit die Macht der Zauberei zu nutzen. Die Vorstellung von Frauen als Hexen zeigte auch im Judentum, dass Männer sich vor der verborgenen und bedrohlichen Seite der Frauen fürchten. Naturverbundenheit und damit auch magische Fähigkeiten waren weiblich konnotiert. Diese Verknüpfung basierte ursprünglich auf der Unkenntnis über Prozesse der Zeugung und Geburt. Frauen waren das „innere Andere“, dem man nicht trauen durfte.
Die Zauberin ist heute Betörerin, Verführerin, steht für Körperlichkeit, Sinnlichkeit…
Und wir? Inspiriert von diesem besonderen Raum des Schutzes und der Abschirmung entsteht durch Kunst ein Kommunikationsort. Die Schwedter Mikwe wird zum richtigen Ort, sie wird lebendig.
Freuen sie sich auf die Frauen.