Geschichte
Auf der Anklagebank
In der DDR wurde 1956 mit Bildung der NVA die Militärgerichtbarkeit eingeführt. Ab September 1957 gab es Militärstaatsanwälte. Es wurden Strafbestimmungen über sogenannte Verbrechen gegen die militärische Disziplin mit Tatbeständen wie Fahnenflucht, Befehlsverweigerung und Angriff auf Vorgesetzte eingeführt. 1963 wurden Militärgerichte gebildet und in Berndshof das Militärstrafvollzugskommando eröffnet. In drei verschlissenen Baracken erfolgte die Unterbringung von bis zu 300 Gefangenen. Das neue Strafgesetzbuch der DDR trat am 12. Januar 1968 in Kraft. Es enthielt mit dem Kapitel 9 (§§ 251 bis 283) einen eigenen Abschnitt zum Militärstrafrecht.
Das Militärgefängnis
Am 22. Juni 1968 wurde der Vollzug von Freiheitsstrafen und Strafarrest an Militärpersonen von Berndshof in die Strafvollzugseinrichtung des Ministeriums des Inneren (MdI) nach Schwedt/Oder verlegt, wo sich zu diesem Zeitpunkt noch ein ziviles Straflager befand. 40 bis 50 Militärgefangene kamen in Schwedt an. Kurze Zeit wurden sie zusammen mit zivilen Strafgefangenen untergebracht. Die Strafvollzugseinrichtung hatte etwa 350 Plätze. Bis 1982 verbüßten etwa 3 500 Strafgefangene und Strafarrestanten Freiheitsstrafen bis zu 2 Jahren in Schwedt. Unter ihnen befanden sich Kriminelle, wegen Militärstraftaten Verurteilte und »Politische«. Der Zutritt war nur über Schleusen möglich. Der Tagesablauf bestand vor allem aus Arbeit und militärischer Ausbildung.
Ab nach Schwedt!
1982 fand die Strafe „Dienst in der Disziplinareinheit“ Eingang in die Dienstvorschrift „10/6“ der NVA. Diese neue NVA-Dienststelle „Disziplinareinheit-2“ (DE-2) war einzigartig in der DDR. Für bis zu 600 Militärstrafgefangene und Disziplinarbestrafte wurden Unterkünfte und Versorgungseinrichtungen geschaffen. Militärische Ausbildung auf der Sturmbahn, politische Schulung sowie produktive Arbeit führten bei den Disziplinarbestrafte zu hohen physischen und psychischen Belastungen. Von 1982 bis 1987 befanden sich insgesamt 1 442 Mannschaftsoldaten, 295 Unteroffiziere auf Zeit und 86 Berufsunteroffiziere für 1 bis 3 Monate im Disziplinarteil. Häufigste Verstöße waren unerlaubtes Entfernung von der Truppe, Angriffs- und Widerstandhandlungen gegen Vorgesetzte und Alkoholmissbrauch. Die Wiedereingliederung in die Truppe galt offiziell als Fortsetzung und Schlusspunkt des »Erziehungsprozesses«. Die Dauer der gesetzlichen Wehrpflicht musste abgedient werden. Die Zeit im »Armeeknast» wurde nicht angerechnet.
Wer dort war, schweigt!
Von 1982 bis 1990 gab es 788 Strafgefangene und 2 524 Disziplinarbestrafte. Die »Rückkehrer» schwiegen über ihre Zeit in Schwedt. Die Disziplinareinheit verlor 1990 ihre Daseinsberechtigung und wurde am 31. Mai aufgelöst. Die Erziehungs- und Vollzugsakten verließen am 31. August 1990 Schwedt in Richtung Strausberg. Die rund 820 Akten sowie Personalkarteien der Jahre 1980 bis 1990 kamen damit in die Obhut der Abteilung für allgemeine Fragen des Ministeriums für Abrüstung und Verteidigung, nachdem offenbar eine Übergabe an das Zentralarchiv des MdI trotz mehrfacher Bemühungen nicht zustande gekommen war. Danach verliert sich die Spur.